04.01.2021
Kroatien-Konvoi – Erfahrungsbericht

Der erste Konvoi mit Hilfsmitteln, der am Neujahrstag gestartet war, ist seit Montag Morgen wieder zurück. Sechs Mitglieder unserer Wehr waren mit einer bunt gemischten Truppe unterwegs. 1.000 km hin und 1.000 km wieder zurück innerhalb drei Tagen.

Was diese erlebt haben, soll folgender Bericht aufzeigen:


Hilfstransport nach Kroatien

Ein Bericht vom 01.-04. Januar 2021, Thomas Ingold

Was war passiert?

Die Erde bebte viele Male in den letzten Tagen in Kroatien. Genauer in der Region Sisak-Moslavina. Es war jedoch ein Beben am 28.12.2020, das morgens um 05.28 Uhr die Menschen aufschreckte. Mit einer Stärke von 5.2 gab es starke Erschütterungen, welche den Grundstein legten für das, was am Tag drauf passierte: Mit einer Stärke von 6.4 bebte die Region um die Kleinstadt Petrinja erneut. Mit teilweise verheerenden Auswirkungen. Es gab starke Gebäudeschäden in der gesamten Region. Hauptsächlich betroffen sind die Städte Petrinja, Sisak und Glina. Das Ausmaß der Katastrophe wurde noch schlimmer, als neben vielen Verletzen auch 7 Tote unter den eingestürzten Bauten gefunden wurden. Wie leider so oft trifft es immer die Schwachen.

Woher der Kontakt?

Die Region Sisak-Moslavina pflegt seit längerem enge Kontakte mit verschiedenen Feuerwehren aus dem Landkreis Breisau-Hochschwarzwald. Seit 1996 gibt es regelmässigen Austausch und unzählige Fahrzeuge, sowie Feuerwehrmaterialien aller Art, wurden gespendet und konnten den Feuerwehren in den letzten Jahren gute Dienste erweisen. Auch bei den Arbeiten nach diesen Beben leisten die Feuerwehrfahrzeuge noch ihren wertvollen Dienst. So sah man an verschiedenen Orten beispielsweise die Drehleitern stehen, um Gebäude zu bewerten oder lose Bauteile abzutragen. 

Die Vorbereitung des Transports:

Als wir von den starken Beben gehört haben, waren wir sehr betroffen und fühlten mit unseren Kameraden und den Menschen in der Region. Unser ehemaliger Kreisbrandmeister und Vize-Präsident des LFV Baden-Württemberg a.D., Gerhard Lai, organisierte umgehend Hilfe. Die Dynamik nahm schnell an Fahrt auf und erreichte mit Social Media Aufrufen und Pressemitteilungen die Bevölkerung und Feuerwehren in der Region und in ganz Baden-Württemberg. Alles was gespendet wurde, wurde zentral gesammelt und auf zivile LKWs, Feuerwehr-Wechsellader und -Gerätewägen verladen, um die am meisten benötigten Dinge, wie Lebensmittel, Hygieneartikel, med. Bedarf, Feuerwehrmaterialen und auch Kleidung, schnellstmöglich vor Ort zu bringen.

Bereits am 01. Januar 2021 war fast alles verladen – als dann letztlich noch ein Fahrzeug streikte und wir etwas umdisponieren mussten. Dies führte dazu, dass die geplante Abfahrtszeit des Konvois sich um 3 Stunden nach hinten verschob und letztlich erst um kurz vor 23 Uhr die Feuerwache Bad Krozingen verlassen konnte. 

Dabei haben unzählige helfende Hände aus der gesamten Feuerwehrfamilie eine Riesentat geleistet. Vorsortiert, umgepackt und palettiert – dann die Waren in Kisten und Paletten teilweise von Hand auf den LKW verladen. Erst in den Feuerwehrgerätehäusern in den sammelnden Gemeinden und dann in Bad Krozingen. Diese unbeschreibliche selbstlose Arbeit war getragen durch die Empathie und das große freundschaftliche Empfinden und Mitgefühl für die Freunde und Menschen in Kroatien.

Der Verband setzt sich in Bewegung…

Mit dem Verlassen des Gerätehauses wurde der Verband durch das Führungsfahrzeug, dem MTW der Feuerwehr Schallstadt angeführt. Martin Engler und Claus-Peter Lai waren nun für den Verband verantwortlich um diesen, bestehend aus aktuell noch zehn Fahrzeugen, über die geplante Fahrroute nach Kroatien zu bringen. Vor uns liegt nun eine Fahrt von gut 17 Stunden, bis wir das Ziel in Sisak erreichen sollten.

Kleine Pannen

Bereits auf der A5 wurde der mit Blaulicht gekennzeichnete Verband auf Kameraden aus dem Ortenaukreis aufmerksam, welche uns von einer BAB-Brücke mit Blaulicht und Alarmsirenen grüßten. In Karlsruhe bogen wir auf die A8 Richtung Stuttgart-München ab und wechselten nach gut 2 Stunden die Fahrer auf den Fahrzeugen. Diese Methode war über die ganze Strecke eine hervorragende Lösung, um einer drohenden Ermüdung entgegen zu wirken. Nach dem Flughafen Stuttgart stießen weitere Fahrzeuge aus Rottenburg und von den Rettungsorganisation DRK und MHD hinzu. Beim ersten Tank-Stop kurz vor dem Aichelberg stellte sich heraus, dass wir ein Heizungsproblem im WLF Heitersheim hatten, welches mit Hilfe des 24h-Service des Fahrzeugherstellers und dem technischen Verständnis der Kameraden gelöst wurde. Die Fahrt konnte nun wieder beheizt weitergehen, was bei Temperaturen unter 0 Grad sehr vorteilhaft war.

Doch wieder geriet der Konvoi ins Stocken, als sich der Rollladen des TLF auf der Fahrt selbstständig machte und öffnete. Kurzer Stopp auf dem Standstreifen und weiter ging’s. Fahrerwechsel auf Fahrerwechsel folgten, doch leider blieben uns auch die Pannen erhalten. Ausgerechnet unser Führungsfahrzeug hatte technische Schwierigkeiten mit Funk und Blaulicht und eine Kommunikation war teilweise nur über Mobilfunk möglich. Dies verfolgte uns leider von dem Moment an und ließ sich auch nicht beheben. Aber auch hier fanden wir Lösungen.

Wintereinbruch und Ankunft

Die Route ging weiter über München nach Salzburg. Dann auf die Tauernautobahn nach Villach und in den Karawankentunnel. Durch die gute Vororganisation mit den Behörden in Österreich, Slowenien und Kroatien hatten wir überall „freie Fahrt“. Kurz vor Villach wartet das nächste Hindernis auf uns: Aus Regen wurde Schnee und die Fahrbahn war komplett schneebedeckt. Eine Herausforderung für die meisten Hobby-LKW-Fahrer, die nun ihr gelerntes Fahrkönnen aus den Feuerwehr—Sicherheitstrainings an den Tag legen konnten. 

Endlich kam auch etwas Glück hinzu: Diesmal in Form eines österreichischen Schneepflugs der direkt vor uns auf die Autobahn auffuhr. So kamen wir durch den Karawankentunnel auf die Südseite der Alpen und nach Slowenien, wo wieder Regen auf uns wartete. Mittlerweile waren wir schon über 13 Stunden unterwegs. Quer durch Slowenien vorbei an Ljubljana erreichen wir die Grenze zu Kroatien und unseren Kameraden Mario Starcevic, der uns dort abholte und die weitere Abwicklung organisierte. 

Endlich, um 16.30 Uhr erreichten wir nach nunmehr 17 ½ Stunden Fahrt unser Ziel Sisak. Dort war man jedoch etwas erschrocken über die großen Fahrzeuge (Sattelzugmaschinen und Gliederzüge), was etwas Umplanung erforderte. Dies wurde auf souveräne Weise durch einen Polizisten und unsere Verbandsführung gelöst und wir konnten die Fahrzeuge abstellen.

After-Work?

Doch wer jetzt dachte, nun wir legen eine Pause ein, der hat sich noch nie mit hochmotivierten, fleissigen kroatischen Helfern auseinandergesetzt. Gefühlt 300 Helfer, die einem Facebook-Aufruf gefolgt waren, erwarteten uns mit einem Lied und klatschend um die Fahrzeuge auszuladen. Ein hoch emotionaler Moment für uns alle. Es ging nun so schnell, dass man kaum hinterherkam, die Planen der LKW´s zu öffnen. Mit einer 100m langen Menschenkette wurden die Hilfsgüter in die Schule zum weiteren Sortieren befördert. Die Paletten übernahm ein Staplerfahrer. Die, die gerade mangels Platz nicht hinfahren konnten, waren über eine Mahlzeit in der Feuerwache Sisak dankbar. 

Innerhalb von 4 Stunden waren alle LKWs entladen und wir langsam aber sicher endgültig „fix und fertig“. Bedenkt man, dass der Tag zuvor Neujahr war und wir nun seit 22 Stunden unterwegs sind, plus die Zeit für die Beladung den Tag über, kann man sich vorstellen, dass der eine oder andere an seine Belastungsgrenze gekommen ist. 

Die Nacht im Hotel

Wir folgten nun dem Aufruf von unserem Freund Mijo Brlecic ins Hotel nach Velika Gorica. Auch hier wurden diejenigen „enttäuscht“, die an ein Bett dachten: Es gab das „zweite Abendessen“. So war es dann nach Mitternacht und viele von uns mehr als 40 Stunden auf den Beinen, als wir endlich schlafen gehen „durften“. Die Nacht war kurz und intensiv. Bereits um 8.30 Uhr wurde gefrühstückt. Unser Programm (Entladen am 03.01.21) war jedoch bereits getan und so konnten wir uns einen Eindruck von dem Verschaffen, was sich hier die Tage zuvor ereignete. 

Ein Blick ins Erdbebengebiet

Wir fuhren durch das Gebiet und stellten schon nach wenigen Kilometern fest, warum es so wichtig war, dass hier Hilfe ankommt. Es ist enorm was 20-30 Sekunden im Leben verändern können. Wenn man dies sieht, wird einem die Macht und Kraft der Erde bewusst. Sicherlich ist es auch der Bausubstanz geschuldet, dass vor allem ältere Gebäude einstürzten. Doch gerade alte Innenstädte leben von den historischen Bauten. Ein kleiner Eindruck zeigen die Bilder, die hauptsächlich in der Innenstadt von Petrinja entstanden sind. Doch quer durch die Region begegneten uns viele Häuser, bei denen eine Etage fehlte oder ein eingestürzter Kamin durch das Gebäude schlug. Dadurch gab es Schäden an den Gebäuden durch defekte Gasleitungen oder Wasserrohrbrüchen. Viele der Gebäude sind nicht mehr bewohnbar. 

Durch Hilfsaktionen der Regierung und anderen Organisationen werden Wohnwagen, Mobilhomes und Container auf die Grundstücke gestellt, damit die Menschen zumindest ein „Dach über dem Kopf“ haben. Mit einer Plane wird ein Unterstand zum Essen gebaut. Zu Essen gibt es meist gegrilltes unter freiem Himmel. Das Ganze aber um die Nullgrad-Grenze und bei strömendem Regen.

Überall sind Feuerwehreinheiten zu sehen, welche die Gebäude begutachten. Wir fühlten uns in der Situation zunehmend unwohl und nicht mehr helfend und wollten auch keinen „Katastrophentourismus“ betreiben.  Die Leute sollten einfach ungestört ihre Arbeiten verrichten können. Daher werden wir aus pietätsgründen auch nur eine Auswahl an Fotos hier einstellen.

Abschied 

Die Stimmung schwenkte um, als wir unser Mittagessen in der Feuerwache Sisak einnehmen konnten und an Zuhause dachten. Mit viel Mühe wurden wir hier für die Rückfahrt versorgt und konnten gestärkt auf unsere LKWs steigen. Open-Air gab es noch eine Schnelltestaktion, um dem Thema Corona gerecht zu werden. 

Rückfahrt

Über die gleiche Route fuhren wir zurück. Die Straßen waren glücklicherweise diesmal frei von Schnee. Der Regen begleitete uns aber noch eine ganze Zeit lang. An der Grenze zu Slowenien wurden wir von den Polizisten quer durch eine vierspurige Autoschlange gelotst, welche am Grenzübergang bis zu 60 Minuten auf ihre die Einreise warten musste. Man kann sich vorstellen, was das mit einem Konvoi von zehn Groß-Fahrzeugen bedeutet. 

Irgendwie sind wir durchgekommen und waren via Österreich um kurz nach 23 Uhr wieder in Deutschland. Ohne größere Zwischenfälle verabschiedeten wir unsere Kameraden unterwegs jeweils an deren Abfahrten nach Rottenburg, Achern, Kehl und Teningen und unser Konvoi wurde immer kleiner. Der Fahrzeugverband erreichte Bad Krozingen am nächsten Morgen (04.01.) um 7.30 Uhr. Dort wurden wir von Gerhard Lai und dem Kommandanten der Feuerwehr Bad Krozingen, Florian Eckert empfangen.

Danke!

Glücklich, dass wir alle wieder „daheim“ sind, blicken wir auf sehr intensive Tage und Gefühle zurück. Was Menschen leisten, obwohl sie selbst nichts mehr haben und wie dankbar diese über Hilfe von außen sind, das fühlten alle die dabei waren. Die Gastfreundlichkeit unserer Kameraden in Kroatien bleibt unbeschreiblich. 

Liebe Menschen in Kroatien, wir wünschen Euch:

Glavu gore i držite se! Ostanite zdravi – nadamo se da se uskoro opet vidimo!

Kopf hoch – haltet durch – Bleibt gesund und hoffentlich sehen wir uns bald wieder

Aber auch wir als Fahrerteam, das so lange unterwegs war hatte eine hervorragende Moral. Dies ist besonders bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass wir uns alle größtenteils vorher nicht gekannt haben. Es war einfach eine tolle Truppe!

Bleibt uns allen denjenigen zu danken, die durch Ihre Mitarbeit in der Vorbereitung und Durchführung dazu beigetragen haben, dass wir dieses wichtige Projekt durchführen konnten und wieder gut Zuhause angekommen sind. 

Danke an die vielen Menschen und Firmen, die durch Sach- oder Geldspenden oder das Bereitstellen der LKW dieses Projekt unterstützt haben und den Menschen in der Region Sisak-Moslavina geholfen haben. Diese Solidarität wird dort nicht vergessen werden und nachhaltig positiv wirken. Aus persönlichen Gesprächen vor Ort wissen wir, dass neben all den notwendigen Sachspenden auch das Gefühl, nicht allein gelassen zu werden, ebenso wichtig ist.


Vielen Dank an unsere Teilnehmer: Martin, Thomas, Stephan, Jojo, Max und Fabian,
sowie allen anderen Fahrern aus den Wehren Achern, Bad Krozingen, Emmendingen, Esslingen, Heitersheim, Kehl, Köndringen, Müllheim, Reute, Rottenburg.